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In meinem Blog möchte ich verschiedene Themen aufgreifen und die Informationen für alle zugänglich machen. Mir ist es wichtig, Irrtümer aus dem Weg zu räumen, Fragen zu beantworten,Tabuthemen zur Sprache zu bringen und damit mehr Öffentlichkeit für psychische Gesundheit zu schaffen. 

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Therapie & Beratung


Persönliche Erfahrungen & Perspektiven

Mentales & körperliches Wohlbefinden

Alle Beiträge in chronologischer Reihenfolge:

28.10.2024 I Persönliche Erfahrungen & Perspektiven I Julia Dresp

Bewusst ohne Alkohol 

Eine persönliche Reise und der Blick auf unsere Gesellschaft

Am Anfang dieses Jahres habe ich beschlossen, keinen Alkohol mehr zu trinken. Was zunächst als persönliche Herausforderung begann, wurde zu einer tiefgehenden Reise der Selbsterkenntnis und Reflexion. In diesem Artikel möchte ich euch mitnehmen in meine Erfahrungen, meine Beobachtungen zu unserem gesellschaftlichen Umgang mit Alkohol teilen und Impulse geben, wie ihr eure Beziehung zum Alkohol selbst hinterfragen könnt – ohne dabei in Rechtfertigungsdruck oder Schuldgefühle zu geraten.

Warum habe ich mich für ein Leben ohne Alkohol entschieden?

Die Entscheidung, eine Zeit lang auf Alkohol zu verzichten, kam bei mir nicht von einem Tag auf den anderen. Wie viele Menschen habe ich Alkohol lange als "normal" empfunden: Ein Glas Wein mit meinem Partner zum Entspannen, ein Bier im Freundeskreis, ein Sekt bei Feierlichkeiten – Alkohol war einfach da, Teil des Alltags und der besonderen Anlässe. Doch im Zuge meiner Ausbildung zur systemischen Therapeutin bei einem Seminar von Jeanette Piram, die lange Zeit in der Sucht- und Drogenhilfe tätig war, begann ich die Selbstverständlichkeit von Alkohol in unserer Gesellschaft zu hinterfragen - das war etwa vor zwei Jahren, im Herbst 2022. 

Alkoholpausen habe ich auch schon früher oft gemacht. Meist im Zuge der (christlichen) Fastenzeit vor Ostern. Es fiel mir eigentlich nie wirklich schwer darauf zu verzichten, aber ich brauchte irgendwie einen "Grund" um den Verzicht zu rechtfertigen. Mir kam einfach nicht in den Sinn, dass alkoholfrei zu leben im Rahmen meiner Möglichkeiten liegt. Schließlich machen das die Menschen in meinem Umkreis nur, wenn sie schwanger sind, stillen, Medikamente nehmen, wenn sie extrem auf ihre sportliche Form achten oder wirklich ein Problem mit Alkohol haben, usw. 

Nach und nach begann ich das alles zu hinterfragen, hörte Podcasts, las Bücher und informierte mich rund um das Thema, die Gesellschaft, geschichtliche Hintergründe, politische und kapitalistische Anliegen. Die ersten Monate waren tatsächlich ungewohnt und teilweise schwierig. Plötzlich standen Gefühle, die sonst unter dem Glas Wein verschwanden, ganz roh im Raum. Gleichzeitig bemerkte ich aber auch, wie sich meine Energie, meine Schlafqualität und meine emotionale Klarheit verbesserten. Ich stellte mich den Herausforderungen, an denen ich euch nun teilhaben lassen kann. 

Alkohol und die Gesellschaft: Warum trinken "normal" ist

Deutschland ist ein Land, in dem der Alkoholkonsum tief in der Kultur verankert ist. Schon in jungen Jahren wird man mit Bier, Wein und Sekt vertraut gemacht, und oft gibt es kaum eine Gelegenheit, bei der Alkohol nicht eine Rolle spielt. Eine Feier ohne Sekt zum Anstoßen? Ein Abendessen ohne Wein? Für viele unvorstellbar.

Unsere Gesellschaft sieht Alkohol oft als einen unverfänglichen Genuss oder gar als Symbol für Geselligkeit. Doch diese Normalisierung verdeckt eine Schattenseite: Alkoholkonsum kann zur Sucht führen und schädliche Auswirkungen auf die körperliche und mentale Gesundheit haben. In Deutschland trinken etwa 7,8 Millionen Menschen Alkohol in gesundheitlich riskanten Mengen, und Alkohol ist nach wie vor eine der häufigsten Ursachen für Erkrankungen und Todesfälle.

Trotz dieser alarmierenden Zahlen bleibt Alkohol gesellschaftlich akzeptiert, sogar erwartbar. Wer auf Alkohol verzichtet, wird oft mit Fragen oder Skepsis konfrontiert: „Warum trinkst du nicht?“, „Bist du schwanger?“ oder „Ach, nur ein Glas, das schadet doch nicht.“ Dieses Verhalten zeigt, wie tief verwurzelt Alkohol in unserem Denken ist und wie schwer es sein kann, sich bewusst davon zu distanzieren.

Persönliche Erkenntnisse ohne Alkohol

In meinen nun gut zehn Monaten ohne Alkohol habe ich nicht nur viel über mich selbst gelernt, sondern auch den Umgang mit meinen Mitmenschen anders wahrgenommen. 

  • Klarheit und Energie: Ohne Alkohol habe ich eine erstaunliche Klarheit erfahren. Morgens wach zu werden, ohne „Restmüdigkeit“, hat meine Produktivität und mein Wohlbefinden deutlich gesteigert. Ich schlafe besser, bin weniger vergesslich, ich fühle mich ausgeglichener,  bin konzentrierter, habe weniger starke Regelschmerzen, reinere Haut und ich könnte die Liste noch beinah endlos fortsetzen.
  • Achtsamkeit im Umgang mit Gefühlen: Ich habe gelernt, meine Gefühle nicht zu „betäuben“, sondern wirklich zu fühlen und zu verarbeiten. Ich lege bewusst Pausen ein, gehe spazieren, gehe regelmäßig zum Sport, suche das Gespräch mit meinen Liebsten oder wie gerade jetzt, schreibe meine Gedanken einfach auf, um sie zu verarbeiten.
  • Gesellschaftliche Reaktionen: Mir fiel auf, wie schwer es für andere zu verstehen ist, dass jemand freiwillig auf Alkohol verzichtet. Manche fragten kritisch, andere wurden neugierig und wollten mehr über die positiven Seiten erfahren.
  • Neu gewonnene Freiheit: Die Entscheidung, keinen Alkohol zu trinken, hat mich unabhängig von gesellschaftlichen Erwartungen gemacht. Ich fühle mich freier und selbstbestimmter und habe gelernt, wie wertvoll es sein kann, auch mal gegen den Strom zu schwimmen. Ich habe mir erlaubt, dass Nicht-Trinken absolut eine Lösung ist. 

Ein paar erste Impulse für alle, die ihre Beziehung zum Alkohol hinterfragen möchten

Falls ihr euch ebenfalls fragt, welche Rolle Alkohol in eurem Leben spielt, möchte ich euch ein paar sanfte Impulse mit auf den Weg geben:

  1. Beobachtet eure Muster: Wann greift ihr zu einem Glas Wein oder Bier? Ist es aus Lust am Geschmack oder als Belohnung, Stressabbau oder Routine?
  2. Testet alternative Entspannungsmethoden: Was passiert, wenn ihr stattdessen einen Spaziergang macht, ein Buch lest oder eine Atemübung ausprobiert? Vielleicht entdeckt ihr Alternativen, die euch genauso guttun.
  3. Nehmt euch eine Pause: Probiert mal, eine Woche oder einen Monat komplett auf Alkohol zu verzichten, und achtet auf die Auswirkungen auf euer Wohlbefinden. Nutzt es als Experiment und nicht als Verpflichtung.
  4. Redet darüber: Sprecht mit Freunden oder Familie über euren Verzicht und eure Beweggründe. Es ist erstaunlich, wie oft solche Gespräche zum gegenseitigen Verständnis beitragen.
  5. Seid geduldig mit euch selbst: Veränderung braucht Zeit, und es geht nicht darum, perfekt zu sein. Ein bewussterer Umgang mit Alkohol ist schon ein großer Schritt – ganz gleich, wie dieser für euch aussieht.

Fazit

Meine ersten Monate ganz ohne Alkohol hat mich nicht nur viel über mich selbst gelehrt, sondern auch meinen Blick auf unsere Gesellschaft verändert. Alkohol ist in Deutschland so tief verwurzelt, dass ein Verzicht oft als „unnormal“ gilt. Doch gerade dieser Verzicht kann uns helfen, mehr über unsere eigenen Bedürfnisse und Muster zu erfahren und neue Freiheiten zu entdecken. 

Ob ihr euch selbst auf den Weg machen wollt, eure Beziehung zu Alkohol zu hinterfragen, ist natürlich eure eigene Entscheidung. Vielleicht motiviert euch meine Geschichte, vielleicht bleibt sie einfach nur ein Gedanke. Was auch immer ihr daraus mitnehmt: Der erste Schritt zu mehr Achtsamkeit beginnt immer mit einem kleinen Impuls – und manchmal ist es genau der, der das Leben nachhaltig verändern kann. 

22.10.2024 I Therapie & Beratung I Julia Dresp

Kinder in Not

Psychische Gesundheit im Wandel und der dringende Bedarf an Therapieplätzen

Aktuelle Studien des Robert Koch-Instituts (RKI) zeigen, dass bis zu 30 % der Kinder und Jugendlichen in Deutschland an behandlungsbedürftigen psychischen Störungen leiden.
Unter anderem hat die Corona-Pandemie bei jungen Menschen tiefe Spuren hinterlassen. Die monatelangen Schulschließungen, soziale Isolation, allgemeine Ungewissheit und viel Zeit mit der Familie auf teilweise sehr engem Raum - dabei sind selbst wenig belastete Familien an ihre Grenzen gestoßen. Besonders beunruhigend scheint, dass der Anteil an Angststörungen und depressiven Symptomen seit der Pandemie stark angestiegen ist. Soziale Ängste, Schulvermeidung und depressive Verstimmungen haben sich bei vielen jungen Menschen so stark manifestiert, dass sie ihren Alltag kaum noch bewältigen können.
Diese Entwicklung stellt nicht nur betroffene Familien vor Herausforderungen, sondern auch das Gesundheitssystem – und es mangelt an Therapieplätzen, um diese jungen Menschen angemessen zu versorgen. Mehr als 15.000 Therapieplätze fehlen deutschlandweit, um den tatsächlichen Bedarf zu decken. Das bedeutet, dass viele Kinder und Jugendliche, die dringend psychologische Unterstützung bräuchten, monate- oder sogar jahrelang auf Hilfe warten müssen. Unbehandelte psychische Störungen wie Angststörungen, Depressionen oder Essstörungen können im Erwachsenenalter zu schwerwiegenden Problemen führen – beruflich, sozial und gesundheitlich.

Die häufigsten Störungsbilder bei Kindern und Jugendlichen

Die psychischen Herausforderungen von Kindern und Jugendlichen sind vielfältig, aber einige Störungsbilder treten besonders häufig auf:

  • Angststörungen: Soziale Ängste, Trennungsangst und Schulangst sind weit verbreitet. Kinder entwickeln Ängste, die sie daran hindern, ein normales soziales Leben zu führen oder die Schule zu besuchen.
  • Depressive Störungen: Jugendliche leiden zunehmend unter depressiven Symptomen wie Antriebslosigkeit, sozialem Rückzug und einer tiefen Hoffnungslosigkeit. Diese Symptome haben sich durch die Isolation in der Pandemie verschlimmert.
  • Essstörungen: Störungen wie Anorexie und Bulimie nehmen besonders bei Jugendlichen zu. Der Druck durch soziale Medien und unrealistische Schönheitsideale spielen dabei eine Rolle.
  • Verhaltensstörungen: Einige Kinder zeigen aggressives oder oppositionelles Verhalten, oft als Ausdruck innerer Konflikte oder Hilflosigkeit, die sie ohne professionelle Hilfe nicht bewältigen können.

Realitätscheck

Da ich aktuell in der Ausbildung zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin stecke, beschäftigen mich diese Zahlen und Fakten doch sehr. Woran liegt es, dass so viele Kinder und Jugendliche unversorgt bleiben? Kinder und Jugendliche stehen tatsächlich 1,5 Jahre auf Wartelisten, vor allem in ländlichen Gegenden. Selbst als Erwachsene kommt mir diese Zeit extrem lang vor, aber in einem Kinderleben passiert in dieser Zeit noch so viel mehr. 

Vor kurzem war ein 15-jähriger Junge in der Sprechstunde, der unter depressiven Verstimmungen zu leiden schien. Aktuell mag der Junge noch ein Schüler in der 9.Klasse auf einer Realschule sein, aber in den nächsten 1,5 Jahren hätte er einen Schulabschluss zu meistern, Bewerbungsverfahren, muss neue Menschen kennenlernen und sich möglicherweise in einer neuen Klasse in der Berufsschule zurechtfinden. All diese Dinge sind schon ohne psychische Belastungen anstrengend und unbehandelt je nach dem kaum zu bewältigen. 

Das System der Kassensitze in Baden-Württemberg (und allgemein in Deutschland) folgt einer strikten Regulierung durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) in Verbindung mit dem sogenannten Bedarfsplan. Der Bedarfsplan legt fest, wie viele Psychotherapeut*innen (inklusive Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen) pro Region in einem bestimmten Gebiet zugelassen werden können, um eine „ausreichende“ Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Ein Kassensitz ermöglicht es Therapeut*innen, Leistungen über die gesetzliche Krankenversicherung abzurechnen.

Warum gibt es lange Wartelisten trotz Bedarfsplan?

  • Verzerrte Berechnungen im Bedarfsplan: Der Bedarfsplan basiert auf veralteten Maßstäben und berücksichtigt oft nicht ausreichend den tatsächlichen Bedarf an psychotherapeutischen Leistungen, insbesondere im Bereich Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. So wird die Versorgungsdichte nach starren Quotienten festgelegt (z.B. Anzahl der Therapeut*innen pro 100.000 Einwohner), ohne dynamische Faktoren wie wachsenden Bedarf, soziale Brennpunkte oder veränderte Krankheitsbilder wie steigende psychische Belastungen bei Kindern und Jugendlichen zu berücksichtigen.


  • Ungleichverteilung der Therapeut*innen: Obwohl ein Gebiet als „überversorgt“ eingestuft wird, können in bestimmten Stadtteilen oder ländlichen Gebieten trotzdem Engpässe herrschen, weil Therapeut*innen sich eher in Ballungsräumen niederlassen. In ländlichen Gebieten gibt es oft zu wenige Therapeut*innen, während Ballungsräume zwar auf dem Papier genügend Therapeut*innen haben, diese jedoch durch hohe Nachfrage ausgelastet sind.


  • Anstieg psychischer Erkrankungen: In den letzten Jahren ist der Bedarf an psychotherapeutischer Versorgung erheblich gestiegen, besonders im Bereich Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. Dies führt zu langen Wartelisten, obwohl die offiziellen Planungszahlen dies nicht ausreichend abbilden.


  • Bürokratische Hürden: Die Vergabe von Kassensitzen erfolgt häufig langsam und ist stark reguliert, was zu Verzögerungen in der Versorgung führen kann. Auch der Prozess zur Erlangung eines Kassensitzes ist langwierig und limitiert die Zahl der neuen Therapeut*innen, die zeitnah tätig werden können.


  • Praxisstruktur und Arbeitsbelastung: Einige Therapeut*innen haben möglicherweise nur Teilzeitkapazitäten oder bieten nicht für alle Altersgruppen oder Krankheitsbilder Therapie an, wodurch trotz einer ausreichenden Anzahl von Therapeut*innen nicht genügend Behandlungsplätze zur Verfügung stehen.


Um als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in Baden-Württemberg einen Kassensitz zu bekommen, musst du entweder einen freien Kassensitz übernehmen oder darauf warten, dass ein neuer vergeben wird, was durch den Bedarfsplan der KV reguliert wird. Die scheinbare Überversorgung in einigen Regionen erklärt sich durch unzureichende Planungsgrundlagen und Ungleichverteilungen. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Therapieplätzen, insbesondere für Kinder und Jugendliche, was zu langen Wartezeiten führt.

Ein Appell an die Gesellschaft und Politik

Die Politik muss stärker in die Versorgung von Kindern und Jugendlichen investieren. Dazu gehört die Ausweitung von Ausbildungsplätzen für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen, die Vereinfachung der Anerkennungsverfahren für Therapeut*innen, Anpassungen in der Bedarfsplanung sowie spezielle Förderprogramme für psychische Gesundheit in Schulen. Insbesondere Schulen sollten als präventive Plattformen genutzt werden, um jungen Menschen frühzeitig Zugang zu psychologischer Unterstützung zu ermöglichen.

Als Gesellschaft tragen wir die Verantwortung, unseren Kindern den Zugang zu psychischer Gesundheit zu gewährleisten. Sie sollten keine Monate auf Hilfe warten müssen. Sie verdienen es, ihre Kindheit unbeschwert und gesund zu erleben. Es braucht mehr finanzielle Mittel, um Therapieplätze zu schaffen und sicherzustellen, dass jedes Kind die Unterstützung erhält, die es benötigt – unabhängig von seinem familiären oder finanziellen Hintergrund.


03.07.2024 I Mentales & körperliches Wohlbefinden I Julia Dresp

Liebeskummer

Vom Schmerz und neuen Chancen

Liebeskummer – fast jede*r von uns hat ihn schon einmal erlebt. Es ist ein universelles Gefühl, das uns tief im Inneren trifft und uns oft das Gefühl gibt, als würde die Welt zusammenbrechen. Tatsächlich ist es eines der schwierigsten emotionalen Schieflagen, die es gibt. Doch was steckt hinter diesem schmerzhaften Zustand, warum tut er so weh und vor allem: Wie können wir damit umgehen?

Wie fühlt sich Liebeskummer an?

Liebeskummer kann sich auf viele verschiedene Weisen manifestieren. Manche Menschen empfinden einen tiefen, anhaltenden Schmerz im Herzen, während andere das Gefühl haben, dass ihre Gedanken ständig um die verlorene Liebe kreisen. Typische Symptome sind:

  • Emotionale Schmerzen: Diese können von Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit bis hin zu Wut und Frustration reichen.
  • Körperliche Beschwerden: Manche Menschen erleben tatsächlich "Herz-Schmerz", der im schlimmsten Fall sogar einen Herzinfarkt auslösen kann. Andere Symptome können Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit oder Schlafstörungen sein.
  • Kognitive Einbußen: Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren oder alltägliche Aufgaben zu erledigen, sind keine Seltenheit.
  • Soziale Isolation: Viele Menschen ziehen sich zurück und meiden soziale Kontakte.

Warum tut Liebeskummer so weh?

Der Schmerz des Liebeskummers ist nicht nur emotional, sondern hat auch physiologische und neurologische Ursachen. Hier sind einige Gründe, warum Liebeskummer so intensiv empfunden wird:

  • Biochemische Reaktionen: Beim Verlieben werden Neurotransmitter wie Dopamin und Oxytocin freigesetzt, die uns glücklich machen. Bei einer Trennung sinken diese Spiegel dramatisch ab, was zu einem Gefühl von Entzug führt. Viele vergleichen deshalb den Verlust einer engen Bezugsperson mit einem Drogenentzug, da es tatsächlich zu ähnlichen Symptomen führt.
  • Evolutionäre Faktoren: Liebeskummer hat tief verwurzelte evolutionäre Gründe. Die Bindung an einen Partner, eine Partnerin war für unsere Vorfahren überlebenswichtig, weshalb das Ende einer Beziehung als Bedrohung empfunden wird.
  • Psychologische Bindungen: Wenn wir eine enge emotionale Bindung zu jemandem aufbauen, wird diese Person ein wichtiger Teil unseres Lebens und unserer Identität. Der Verlust dieser Bindung kann ein Gefühl der Leere und Orientierungslosigkeit hervorrufen.

Gibt es einen Unterschied zwischen Männern und Frauen?

Männer und Frauen drücken Liebeskummer tatsächlich oft unterschiedlich aus. 
Männer und männlich gelesene Personen neigen eher dazu, ihre Gefühle zu unterdrücken oder sich auf Ablenkung zu konzentrieren, während Frauen und weiblich gelesene Personen oft mehr darüber sprechen und Emotionen direkt verarbeiten. Aufgrund dessen leiden Frauen oft mehr unter der Trennung - allerdings kürzer. Männer leiden oft weniger intensiv - brauchen dafür aber länger für die Verarbeitung, manche verarbeiten die Trennung nie. 
Wer allerdings gar nicht trauert oder nur Erleichterung verspürt, hat womöglich zu lange mit der Trennung gewartet. 

Wie kann ich mit Liebeskummer umgehen?

Der Umgang mit Liebeskummer ist wie bei den meisten Themen ein ganz individueller Prozess. Dennoch gibt es Bewältigungsstrategien, die wir eher als konstruktiv bezeichnen und welche, die eher destruktiv sind. Bei einer Trennung fällt ein großer Teil davon, wie bisher das Leben gestaltet wurde, einfach weg. Immer, wenn etwas einfach fehlt, sollten wir uns fragen, was stattdessen - vielleicht helfen einige der unten stehenden Impulse, um diese Wunde langsam zu heilen. 

Destruktive Bewältigungsstrategien...

...bieten meist nur kurzfristige Linderung und können langfristig sogar schädlich sein:

Alkohol- oder Drogenkonsum: 

Der Griff zu Substanzen zur Betäubung des Schmerzes wird kurzfristig seinen Zweck erfüllen. Alkohol und viele andere Drogen setzen im Gehirn an die Dopamin-Rezeptoren an - wir fühlen uns gut, mutig, benebelt. Gleichzeitig bezeichnen wir Alkohol nicht umsonst als "Depressivum" d.h. negative Gefühle werden insbesondere an den Tagen nach dem Konsum verstärkt sein. Wer also zu Depressionen oder Angstzuständen neigt - Finger weg davon. Alkohol wird den Liebeskummer nur aufschieben und zudem gesunde Bewältigungsmechanismen ausbremsen oder sogar verhindern. 

Verdrängung: 

Versuchen, den Schmerz zu ignorieren oder zu unterdrücken, kann langfristig zu emotionaler Instabilität führen. Ungelöste Emotionen können sich aufstauen und später zu schwerwiegenden Problemen führen, wenn sie nicht angemessen angegangen werden. Gleichzeitig ist Verdrängung nicht zu verwechseln mit Ablenkung. Zeitweise Ablenkung von dem entstandenen Schmerz kann durchaus hilfreich sein. 

Isolation: 

Sich von sozialen Kontakten zurückzuziehen und sich abzuschotten kann das Gefühl der Einsamkeit verstärken. Sich zeitweise zurückzuziehen und sich in den Schmerz hineinzubegeben, um ihn zu verarbeiten, kann allerdings hilfreich sein. Es gilt also immer zu unterscheiden und hineinzuspüren, welche Auswirkungen unser Verhalten hat.

Rachegedanken: 

Gedanken an Vergeltung oder Rache können zu einer festgefahrenen und negativen emotionalen Spirale führen. Diese Gedanken lenken von der Heilung ab und halten dich in einer negativen Denkweise gefangen, die es schwer macht, voranzukommen. Wut ist oft dazu da, die Trauer zu überschatten. Frage dich also, welche Verletzung steckt dahinter und was könnte tatsächlich hilfreich sein, um mit ihr umzugehen? 

Flucht in eine neue Beziehung: 

Eine häufige Reaktion auf Liebeskummer ist der Wunsch, sich schnell in eine neue Beziehung zu stürzen, um den Schmerz zu überdecken oder das Gefühl von Verlust zu kompensieren. Dies kann dazu führen, dass alte Muster wiederholt werden oder dass die neue Beziehung unter den ungeklärten Gefühlen leidet.

Konstruktive Bewältigungsstrategien 

...unterstützen den Heilungsprozess und fördern langfristige Resilienz:

Selbstreflexion:
Nimm dir bewusst Zeit, um über die vergangene Beziehung nachzudenken. Reflektiere, was gut lief und was nicht, und nutze diese Erkenntnisse für deine persönliche Weiterentwicklung. Frage dich, was du aus der Beziehung gelernt hast und wie du diese Erkenntnisse in Zukunft nutzen kannst.

Gefühle zulassen und ausdrücken:
Es ist wichtig, den Schmerz zuzulassen und zu akzeptieren, dass es in Ordnung ist, traurig zu sein. Schreibe deine Gefühle auf oder sprich mit einem Freund oder Therapeuten darüber. Teile deine Gefühle mit vertrauenswürdigen Personen. Das Gespräch mit Freunden, Familienmitgliedern oder einem Therapeuten kann dir helfen, den Schmerz zu verarbeiten und neue Perspektiven zu gewinnen. Offenheit und Ehrlichkeit in diesen Gesprächen können dazu beitragen, dass du dich gehört und verstanden fühlst.

Selbstfürsorge:
Achte auf deine Gesundheit – sowohl körperlich als auch emotional. Eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung und ausreichend Schlaf sind wichtig, um stabil zu bleiben. Entwickle eine Routine, die dir hilft, dich um dich selbst zu kümmern und deine Energiereserven wieder aufzufüllen.

Aktivitäten zur Ablenkung:
Lenke dich bewusst ab, indem du Dinge tust, die dir Freude bereiten und deine Gedanken positiv beschäftigen. Hobbys, Sport oder kreative Projekte können dabei helfen, den Fokus auf andere Bereiche des Lebens zu lenken und neue positive Erfahrungen zu machen. Insbesondere bei ständig kreisenden Gedanken um die vergangene Beziehung ist es hilfreich, die Grübeleien und Selbstvorwürfe zu unterbrechen. Wer allerdings dazu neigt, sich sehr in die Arbeit oder andere Aktivitäten zu stürzen, darf überprüfen, ob nicht ein Moment des Innehaltens fehlt, um sich den Gefühlen zu stellen.

Akzeptanz und Loslassen:
Akzeptiere die Realität der Trennung und arbeite daran, loszulassen. Dies bedeutet nicht, die Gefühle einfach zu verdrängen, sondern sie anzuerkennen und damit umzugehen. Erlaube dir, traurig oder wütend zu sein, aber gib dir auch die Erlaubnis, wieder nach vorne zu schauen.

Warum ist es wichtig, konstruktiv mit Liebeskummer umzugehen?

Gefühle zu unterdrücken, kann tatsächlich viele negative Auswirkungen haben: 

  • Emotionale Instabilität: Unterdrückte Gefühle können zu emotionalen Ausbrüchen und unvorhersehbarem Verhalten führen.
  • Psychische Probleme: Langfristiges Unterdrücken kann zu Angstzuständen, Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen führen.
  • Körperliche Symptome: Unterdrückte Emotionen können sich in körperlichen Beschwerden wie Kopfschmerzen, Magenproblemen und chronischen Schmerzen manifestieren.
  • Beziehungsschäden: Schwierigkeiten, Gefühle auszudrücken, können zu Missverständnissen und Konflikten in zwischenmenschlichen Beziehungen führen. "Hurt people hurt people." Das heißt, wer den eigenen Schmerz nicht verarbeitet, verletzt nicht selten andere Menschen. 
  • Eingeschränktes persönliches Wachstum: Das Ignorieren von Gefühlen verhindert das Verstehen und Verarbeiten von Emotionen, was persönliches Wachstum und Resilienz behindern kann.

Positive Aspekte einer Trennung: 

Liebeskummer kann auch eine Chance für persönliches Wachstum und Selbstfindung sein. Viele Menschen entdecken nach einer Trennung neue Interessen und stärken ihre Beziehung zu sich selbst.

Selbstentdeckung und persönliches Wachstum: 

Eine Trennung gibt dir die Möglichkeit, dich selbst besser kennenzulernen und deine eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Ziele zu erkennen und zu verfolgen.Du hast die Chance, deine Unabhängigkeit zu stärken und ein stärkeres Selbstbewusstsein zu entwickeln.

Zeit für Selbstfürsorge:
Nach einer Trennung kannst du mehr Zeit und Energie in deine eigene Gesundheit und dein Wohlbefinden investieren. Das kann körperliche Fitness, geistige Gesundheit und emotionale Balance umfassen. Du kannst Hobbys und Interessen nachgehen, die während der Beziehung möglicherweise vernachlässigt wurden.

Neue Perspektiven und Erfahrungen:

Eine Trennung eröffnet dir die Möglichkeit, neue Menschen kennenzulernen und neue soziale Kontakte zu knüpfen.

Du kannst neue Erfahrungen machen, die dein Leben bereichern und dir helfen, zu wachsen.

Reflexion und Erkenntnis:

Durch die Reflexion über die vergangene Beziehung kannst du wichtige Lektionen lernen, die dir helfen, in zukünftigen Beziehungen eventuell bessere Entscheidungen zu treffen.

Du kannst verstehen, welche Muster und Verhaltensweisen du in der Vergangenheit hattest und wie du sie in Zukunft ändern kannst.

Verbesserte Beziehungsfähigkeit:

Eine Trennung kann dir helfen, klarer zu erkennen, was du in einer Beziehung wirklich willst und was du nicht akzeptieren möchtest.

Du kannst lernen, gesündere Grenzen zu setzen und effektiver zu kommunizieren.

Freiheit und Unabhängigkeit:

Eine Trennung gibt dir die Freiheit, dein Leben nach deinen eigenen Vorstellungen zu gestalten, ohne Kompromisse eingehen zu müssen.

Du kannst dich auf deine persönlichen und beruflichen Ziele konzentrieren und Projekte verfolgen, die dir wichtig sind.

Emotionales Wachstum und Resilienz:

Das Durchleben und Überwinden von Liebeskummer kann deine emotionale Resilienz stärken und dir helfen, besser mit zukünftigen Herausforderungen umzugehen.

Du entwickelst Fähigkeiten zur Selbstregulation und Stressbewältigung, die dir in vielen Lebensbereichen zugutekommen.

Klarheit und Fokussierung:

Eine Trennung kann Klarheit darüber bringen, was wirklich wichtig ist und was du in deinem Leben ändern möchtest.

Du kannst Prioritäten neu setzen und dich auf Dinge konzentrieren, die dir wirklich Freude und Erfüllung bringen.

Neuanfang:

Eine Trennung bietet die Möglichkeit für einen echten Neuanfang. Du kannst alte Gewohnheiten hinter dir lassen und neue, positive Routinen entwickeln.

Es ist eine Gelegenheit, dein Leben in eine Richtung zu lenken, die mehr im Einklang mit deinen Werten und Wünschen steht.

Eine Trennung kann also trotz des anfänglichen Schmerzes viele positive Aspekte mit sich bringen und als Katalysator für persönliches Wachstum und langfristige Zufriedenheit dienen.

Kommunikation mit dem Ex-Partner*in

Kennst du das? Nur noch eine Umarmung mehr, noch ein Telefonat, noch einmal die Stimme hören. Unser Gehirn sehnt sich nach dem Glücksgefühl, was vor der Trennung vielleicht noch da war, möchte noch ein wenig Dopamin, ein wenig Oxytocin. 
Doch was ist denn nun der "richtige Weg" im Kontakt mit dem Ex-Partner*in?

  • Klärung und Abschluss: Für manche Menschen ist es wichtig, offene Fragen zu klären oder eine klare Trennung zu erreichen, um emotionalen Frieden zu finden. Das offene Gespräch kann helfen, Missverständnisse zu klären und ein tieferes Verständnis für die Gründe der Trennung zu entwickeln. Vor allem für den oder die Verlassene kann das hilfreich sein.
  • Gesunde Grenzen: Festlegen von gesunden Grenzen und einer neuen Art der Beziehung kann helfen, sich gegenseitig zu respektieren und emotionale Verstrickungen zu minimieren. Indem Sie klare Grenzen setzen und diese konsequent einhalten, können Sie dazu beitragen, dass beide Parteien sich sicher und respektiert fühlen.
  • Respektvolles Verhalten: Egal wie die Beziehung endete, ein respektvolles Verhalten gegenüber dem Ex-Partner kann helfen, Wunden zu heilen und zukünftige Interaktionen positiv zu gestalten. Insbesondere wenn Kinder im Spiel sind, ist das wohl eines der wichtigsten Punkte.
  • Selbstschutz: Sich selbst schützen und wissen, wann es notwendig ist, den Kontakt zu begrenzen oder ganz zu beenden, um die eigene Heilung zu fördern. Es ist wichtig, auf die eigenen Bedürfnisse zu achten und Maßnahmen zu ergreifen, die dir helfen, dich emotional zu stabilisieren und deine Heilung voranzutreiben.

Konkrete Tipps für den Alltag:

  • Körperliche Aktivität: Sport und Bewegung können nicht nur den Körper stärken, sondern auch den Geist klären und Endorphine freisetzen.
  • Atemübungen und Meditation: Tiefe Atemübungen können helfen, innere Ruhe zu finden und den Geist zu beruhigen. Meditation fördert die Achtsamkeit und kann dabei helfen, negative Gedankenmuster zu unterbrechen.
  • Journaling: Das Führen eines Tagebuchs kann helfen, die Gedanken und Gefühle zu sortieren und Klarheit zu gewinnen. Schreib auf, was dich bewegt. Mich hat früher dabei immer aufgehalten, dass ich dachte, wenn dann muss ich jeden Tag Tagebuch schreiben. Versuche doch mal, dich da nicht unter Druck zu setzen und schreibe einfach, wenn es dir danach ist. 
  • Visualisierung: Stell dir vor, wie du langsam deine Emotionen loslassen und dich mit jedem Tag stärker und stabiler fühlst. Diese Technik kann dir helfen, eine positive Zukunftsvision zu entwickeln und deine Energie auf das Erreichen dieser Ziele zu konzentrieren.
  • Selbstmitgefühl: Sei freundlich zu dir selbst und behandele dich mit der gleichen Fürsorge, die du einem guten Freund, einer guten Freundin entgegenbringen würdest. Akzeptiere deine Gefühle ohne Selbstkritik und versuche dir Zeit zu geben, um zu heilen. Vielleicht hilft es dir, den vorherigen Blog zum Thema Selbstgespräche nochmal zu lesen. 
  • Professionelle Hilfe: Wie immer betone ich auch hier, die Hilfe von Therapeut*innen aufzusuchen, ist immer eine gute Idee. Wenn die Trauer und Perspektivlosigkeit zu überwältigen droht, lieber früher Hilfe suchen als später. 

Häufige Missverständnisse über Liebeskummer

Es gibt einige verbreitete Missverständnisse über Liebeskummer, die dazu führen können, dass Betroffene sich unverstanden oder isoliert fühlen:

  • "Zeit heilt alle Wunden": Während Zeit ein wichtiger Faktor ist, bedarf es oft aktiver Anstrengungen und Unterstützung, um den Schmerz zu verarbeiten. Diese Aussage kann den Eindruck erwecken, dass Liebeskummer automatisch verschwindet, wenn genug Zeit vergangen ist. Tatsächlich hängt die Heilung stark von der Art der Bewältigung ab, die eine Person praktiziert.
  • "Du solltest dich schnell wieder verlieben": Der Druck, sich sofort in eine neue Beziehung zu stürzen, kann zu zusätzlichem Stress führen. Jeder Mensch braucht unterschiedlich viel Zeit, um einen Verlust zu verarbeiten.
  • "Liebeskummer ist nur für Schwache" oder auch "Liebeskummer haben doch nur Jugendliche": Liebeskummer kann Menschen jeden Alters betreffen, da emotionale Bindungen unabhängig vom Alter intensiv sein können. Dieses Missverständnis negiert die Tatsache, dass Liebeskummer eine normale Reaktion auf den Verlust einer bedeutenden Beziehung ist. Es ist wichtig, diese Gefühle ernst zu nehmen und sich Unterstützung zu suchen, wenn nötig.

Schlussgedanken

Wie der Schriftsteller Paulo Coelho sagte: "Manchmal muss man einen Menschen loslassen, damit er glücklich sein kann."
Liebeskummer ist eine der intensivsten emotionalen Erfahrungen, die wir durchmachen können. Doch mit Zeit, Geduld und den richtigen Strategien können wir diese schwierige Phase überwinden und gestärkt daraus hervorgehen. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass Heilung ein Prozess ist und dass es völlig normal ist, Zeit zu benötigen, um sich zu erholen.

Wenn du Unterstützung benötigst oder jemanden zum Reden suchst, zögere nicht, Kontakt mit mir aufzunehmen. Gemeinsam können wir einen Weg finden, den Schmerz zu lindern und wieder Hoffnung zu schöpfen.

Bleib stark und glaube daran, dass nach jedem Ende ein neuer Anfang steht.

18.06.2024 I Mentales & körperliches Wohlbefinden I Julia Dresp 

Die Macht der Gedanken

Wie Selbstgespräche dein Selbstvertrauen beeinflussen

"Ich kann das nicht, ich sehe schrecklich aus, ich bin zu dick/zu dünn, ich bin zu klein/zu groß, ich bin zu dumm, ich bin eine schlechte Mutter/Vater/Partner*in, niemand mag mich, niemand versteht mich...". Die Liste dieser Sätze ist endlos und vermutlich kennt jede*r die ein oder andere Aussage, die sich da einreihen lässt. Innere Monologe sind die laufenden Dialoge oder Selbstgespräche, die wir in unseren Köpfen führen. Diese Gedanken können bewusst oder unbewusst ablaufen und spiegeln meist unsere momentanen Gefühle und Reaktionen auf aktuelle Ereignisse wider. 

Vielleicht kennt die ein oder andere Person die Arbeit mit Glaubenssätzen. Glaubenssätze und innere Monologe sind zwei Seiten derselben Medaille. Unsere Glaubenssätze beeinflussen unsere inneren Monologe, und diese Monologe können wiederum unsere Glaubenssätze stärken oder schwächen. Im Gegensatz zu den Glaubenssätzen, die oft tief verwurzelt in uns auf einer grundlegenden Ebene liegen, können wir unsere alltäglichen Gedanken relativ leicht beeinflussen und unser Selbst dadurch stärken.

Unsere Gedanken haben also eine unglaubliche Macht über unser Leben. Sie beeinflussen, wie wir die Welt um uns herum wahrnehmen, wie wir mit Herausforderungen umgehen und eben auch, wie wir uns selbst sehen. Die inneren Dialoge, die wir täglich führen, sind in eine "Rückkopplungsschleife" verstrickt. Positive Selbstgespräche führen zu einem positiven Selbstbild, was dazu führen kann, mehr an die eigenen Fähigkeiten zu glauben, Herausforderungen anzunehmen und Fehler als Lernmöglichkeit zu betrachten. Dies führt zu einer Reihe erfolgreicher Erfahrungen, die das Selbstbewusstsein weiter stärken. Im Gegenzug können negative Selbstgespräche eine Spirale aus Selbstzweifeln hervorrufen und das Selbstwertgefühl verringern. Dies kann schließlich dazu führen, Herausforderungen zu fürchten, Chancen zu verpassen und sich in die Komfortzone zurückzuziehen, was das Selbstvertrauen weiter schwächen kann.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Studien haben gezeigt, dass positive Selbstgespräche das Selbstvertrauen und das allgemeine Wohlbefinden erheblich verbessern können. Eine Studie der Stanford University fand heraus, dass Teilnehmende, die positive Selbstgespräche praktizierten, weniger stressanfällig waren und ein höheres Maß an Selbstwertgefühl aufwiesen. Das Ergebnis ist kaum verwunderlich wenn man bedenkt, dass einem Menschen rund 60.000 Gedanken pro Tag durch den Kopf schwirren - das sind 22 Millionen im Jahr. 

Praktische Schritte zur Veränderung der Selbstgespräche

  • Bewusstsein schaffen: Der erste Schritt zur Veränderung von Selbstgesprächen ist das Bewusstsein dafür, wie man mit sich selbst spricht. Achte auf deine Gedanken und erkenne deine Muster.


  • Negatives hinterfragen: Stelle negative Gedanken in Frage. Frage dich, ob sie wirklich wahr sind und ob es Beweise für diese Gedanken gibt. Ein klassisches Beispiel, das wir in Frage stellen dürfen ist der Satz "Ich bin zu dick." - Bin ich wirklich zu dick? Das würde bedeuten, dass mein Lebensstil meine Gesundheit beeinträchtigt. Oder fühle ich mich zu dick, weil ich einem Schönheitsideal hinterhereifere? Wer findet überhaupt, dass ich zu dick sei? Könnte es sein, dass ich mich insgesamt nicht so gut fühle und vielleicht ein Spaziergang an der frischen Luft schon helfen würde, um mich besser zu fühlen?


  • Positive Affirmationen: Verwende positive Affirmationen, um negative Selbstgespräche zu ersetzen. Wiederhole positive Aussagen über dich selbst regelmäßig. 
    "Ich bin gut genug." 
    "Ich schaffe das." 
    "Ich bin wichtig." 
    "Ich gebe mein Bestes."
    "Ich bin wertvoll."
    "Ich habe aus meinen Fehlern gelernt und kann es beim nächsten Mal anders machen."


  • Dankbarkeit üben: Eine tägliche Praxis der Dankbarkeit kann helfen, den Fokus auf positive Aspekte deines Lebens zu lenken und negative Gedanken zu reduzieren. Das können große aber auch kleine Dinge sein. 
    "Ich bin dankbar für meine Gesundheit."
    "Ich bin dankbar, einen so tollen Freund zu haben."
    "Ich bin dankbar für das nette Lächeln der Verkäuferin in der Bäckerei."


  • Selbstmitgefühl entwickeln: Behandle dich selbst mit der gleichen Freundlichkeit und Unterstützung, die du einem engen Freund/einer engen Freundin entgegenbringen würdest. Ich glaube kaum, dass jemand zu einem guten Freund sagen würde, dass er zu dumm oder gar wertlos ist. Die meisten würden wohl versuchen ihre Freunde aufzumuntern, Mut zu machen und ihnen sagen, wie toll sie bereits sind. Wir dürfen auch zu uns selbst liebevoll, verständnisvoll und geduldig sein. 


  • Positiv-Tagebuch: Führe ein Tagebuch, in dem du täglich drei positive Dinge über dich selbst notierst. Es kann auch etwas sein, was du erreicht oder erlebt hast. Ich bin sicher, dass wir alle positive Dinge täglich erleben, ohne sie aktiv wahrzunehmen. Das kann ein nettes Gespräch, ein gutes Essen oder ein entspannender Spaziergang sein. Vielleicht hast du ein Kompliment bekommen oder ein positives Feedback. Notiere, worauf du stolz bist und was du gut gemacht hast. Oder halte einfach fest, was dir ein Lächeln bereitet hat. 


  • Techniken zur Stressbewältigung: Übe Entspannungsmethoden wie Meditation, Yoga oder Atemübungen, um deinen Geist zu beruhigen und positive Gedanken zu fördern. Ja ich weiß, das ist ein Klassiker - aber auch wirklich hilfreich. Fange klein an. Eine Minute hinsetzen und auf den eigenen Atem achten und ins hier und jetzt kommen. 

Stolpersteine

Einigen Menschen fällt die Umsetzung dieser Tipps sehr leicht, während andere sich schwer tun, und das ist ganz normal. Wir alle haben unterschiedliche Erfahrungen gemacht, und manche davon können sehr tief sitzen. Es gibt einen Grund, warum die Arbeit mit Glaubenssätzen in beinahe allen Therapieschulen vertreten ist. Andere Therapierichtungen sprechen von unbewussten Überzeugungen, inneren Arbeitsmodellen, Schemata oder Teilen des persönlichen Narrativs. Und trotzdem können wir auch selbst Einfluss nehmen.

Es kann helfen, wenn wir negative Selbstgespräche nicht direkt ins Gegenteil umformulieren. Statt "Ich bin wunderschön." könntest du damit beginnen zu sagen "Ich bin schön genug." oder den Satz als Frage formulieren wie "Was wäre, wenn ich vielleicht doch schön wäre?". Vielleicht fällt es dir auch leichter, zunächst andere Menschen zu beobachten, die eine positive Ausstrahlung haben. Ich persönlich muss dabei manchmal an einen meiner Brüder denken, der gerne auch mal laut gesagt hat „Mann, bin ich gut!“ und schon habe ich ein Lächeln im Gesicht. 

Versuche nicht zu streng mit dir zu sein, der Begriff "toxische Positivität" existiert aus gutem Grund. Es gibt Tage, an denen wir uns nicht gut fühlen, und das ist okay. Mehr Achtsamkeit in unsere Selbstgespräche zu bringen, bedeutet nicht, alles Negative auszublenden, sondern eher, dem Negativen ein wenig von seiner Schwere zu nehmen. 

Langfristige Strategien

Langfristig ist es wichtig, eine Routine zu entwickeln, die positive Selbstgespräche unterstützt. Dazu können dir, die oben genannten Tipps helfen. Beginne beispielsweise mit regelmäßigem Üben von Dankbarkeit, kontinuierlicher Selbstreflexion oder der Pflege eines unterstützenden sozialen Netzwerks. Sich mit anderen auszutauschen, die ähnliche Ziele verfolgen, kann ebenfalls sehr hilfreich sein.

Verbindung zur körperlichen Gesundheit

Positive Selbstgespräche fördern nicht nur die psychische, sondern auch die körperliche Gesundheit. Stress, der durch negative Selbstgespräche verursacht wird, kann zu körperlichen Beschwerden wie Bluthochdruck, Herzkrankheiten und Schlafstörungen führen. Positive Selbstgespräche hingegen können das Immunsystem stärken und die allgemeine körperliche Gesundheit verbessern.

Fazit

Unsere Gedanken haben eine immense Macht über unser Selbstbewusstsein und unser Wohlbefinden. Indem wir uns bewusst machen, wie wir mit uns selbst sprechen, können wir negative Muster durch positive Selbstgespräche schwächen und unser Selbstvertrauen stärken. Es mag Zeit und Übung erfordern, aber die positiven Auswirkungen auf unser Leben sind es wert.

Warum nicht heute damit beginnen? Notiere drei positive Dinge über dich selbst und beobachte, wie sich dein Selbstbild verändert. Du hast die Macht, deine Gedanken zu lenken und damit dein Leben positiv zu beeinflussen. Wenn du merkst, dass das ein Thema für dich ist, scheue dich nicht auch professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

13.06.2024 I Persönliche Erfahrungen & Perspektiven I Julia Dresp

Geschwister im Schatten

Geschwister von Menschen mit Behinderung: 

Einblicke in persönliche Erlebnisse & fachliches Hintergrundwissen

Vor kurzem ist mir in der Praxis eine Klientin begegnet, die mir von ihrer schwerst behinderten Schwester berichtete. Das veranlasste mich dazu, meine eigenen Erfahrungen nochmals zu reflektieren und einige Punkte auch zu verschriftlichen. Das Aufwachsen mit einem Geschwisterkind, das eine Behinderung hat, ist eine ganz besondere Erfahrung, die sowohl Herausforderungen als auch einzigartige Momente der Freude und des Wachstums mit sich bringt. 
Als systemische Therapeutin und jüngstes von vier Kindern, von denen der älteste Bruder mit Trisomie 18 lebte, möchte ich hier einen Teil meiner persönlichen Geschichte teilen und mit fachlichen Erkenntnissen ergänzen. Mein Bruder hatte ein für seine Diagnose sehr langes Leben und durfte 27 Jahre alt werden. Neben ihm habe ich noch zwei weitere Brüder.

Was ist Trisomie 18?

Trisomie 18, auch bekannt als Edwards-Syndrom, ist eine schwere genetische Störung, die durch eine dritte Kopie des Chromosoms 18 in den Zellen des Körpers verursacht wird. Diese zusätzliche genetische Information führt zu einer Vielzahl von Entwicklungsstörungen und gesundheitlichen Problemen. Kinder mit Trisomie 18 haben oft angeborene Herzfehler, schwere geistige Behinderungen und andere lebensbedrohliche Gesundheitsprobleme. Die Lebenserwartung ist stark eingeschränkt, wobei viele Kinder das erste Lebensjahr nicht überleben. Die wenigen, die länger leben, wie mein Bruder, haben meist gesundheitliche Herausforderungen. So wurde mein Bruder mit einem Herzfehler, einem sogenannten "Klumparm" sowie "Klumpfuß" geboren. Geistig war er etwa auf dem Stand eines sechsjährigen Kindes, wobei der Vergleich natürlich hinkt und ich auch nur aus meiner Perspektive als kleine Schwester berichten kann. 

Persönliche Erfahrungen

Das Aufwachsen mit einem behinderten Bruder hat mein Leben und das meiner Familie in vielerlei Hinsicht geprägt. Mein ältester Bruder benötigte Pflege und Aufmerksamkeit. Dies führte oft dazu, dass unsere Familie sich zum Teil um seine Bedürfnisse herum organisieren musste. Gleichzeitig habe ich gelernt, wie wichtig Empathie und Geduld sind.

Ich hatte eine sehr gute Beziehung zu meinem behinderten Bruder und habe sehr viel von ihm gelernt, was mich nachhaltig geprägt hat. So kann ich mich zum Beispiel nach wie vor wie ein kleines Kind über eine Kugel Eis im Sommer freuen oder bin einfach glücklich, weil die Sonne gerade durch die Wolken scheint. Ich bin dankbar für Gesundheit und freue mich über die kleinen Dinge im Alltag. 
Eine große Herausforderung als Kind war für mich die Bandbreite an Emotionen und Gedankenspiele, die mich ständig begleiteten. Ich habe mir sehr früh tiefgreifende Fragen über den Sinn des Lebens gestellt und was warum so ist. Warum ist er anders als die anderen? Warum er und nicht ich? Warum habe ich das Glück, gesund zur Welt zu kommen? Was ist "normal" und was nicht? Wenn wir unterwegs waren, habe ich mich oft gefragt, was andere Menschen wohl denken. Die Blicke der Leute habe ich immer und überall gespürt und doch konnte ich sie nicht richtig einordnen. Ein Teil von mir hat sich manchmal auch geschämt. Geschämt, weil er nicht so ist wie die anderen. Ich hatte immer Angst, Freundinnen mit nach Hause zu bringen. Was würden sie wohl denken, wenn sie meinen Bruder kennenlernen? Sehen sie mich dann mit anderen Augen? Ich hatte Angst, abgelehnt zu werden, und Angst davor, anders zu sein als die anderen. 

Es ist eine ganz spezielle Erfahrung, so früh mit diesen schweren Themen und Fragen konfrontiert zu sein. Ich bin dadurch sehr empathisch, habe ein feines Gespür für Menschen und habe früh gelernt, dass die Menschen sehr unterschiedlich sein können und diese Unterschiedlichkeiten auch wertvoll sind. Mein Bruder hat meinen persönlichen aber auch beruflichen Werdegang mit am meisten beeinflusst und inspiriert mich noch heute.  

Fachliche Hintergründe

Aus systemischer Sicht beeinflusst die Präsenz eines behinderten Kindes die Dynamik innerhalb der Familie auf verschiedenen Ebenen:

  1. Rollen und Verantwortlichkeiten: Geschwister von behinderten Kindern übernehmen oft mehr Verantwortung und reifen schneller. Dies kann sowohl positive Effekte, wie die Entwicklung von Führungsqualitäten und Verantwortungsbewusstsein, als auch negative Effekte, wie das Gefühl von Überforderung und Vernachlässigung, haben.
  2. Elternaufmerksamkeit: Eltern müssen ihre Aufmerksamkeit und Zeit oft ungleich verteilen, was bei nicht-behinderten Geschwistern zu Gefühlen der Eifersucht oder Vernachlässigung führen kann. Es ist wichtig, dass Eltern versuchen, jedem Kind individuell gerecht zu werden und ihre Bedürfnisse wahrzunehmen.
  3. Emotionale Belastungen: Geschwister erleben eine Bandbreite an Emotionen, von Stolz und Zuneigung bis hin zu Schuldgefühlen und Traurigkeit. Sie können auch Angst um die Gesundheit ihres behinderten Geschwisters haben und sich Sorgen über die Zukunft machen.
  4. Ressourcen und Unterstützung: Professionelle Unterstützung, wie Familien- und Geschwistertherapie, kann helfen, die Belastungen zu mindern und die Familie zu stärken. Selbsthilfegruppen und Austausch mit anderen betroffenen Familien bieten zusätzlich wertvolle Unterstützung und Perspektiven.

Tipps für Eltern und Familien

  • Offene Kommunikation: Sprechen Sie offen mit allen Familienmitgliedern über die Behinderung und die damit verbundenen Herausforderungen. Erklären Sie die Situation altersgerecht und lassen Sie Raum für Fragen und Gefühle.
  • Individuelle Zeit: Planen Sie regelmäßig exklusive Zeit mit jedem Kind ein, um ihre individuellen Bedürfnisse zu berücksichtigen und ihnen das Gefühl zu geben, wichtig und geliebt zu sein.
  • Einbindung in die Pflege: Lassen Sie Geschwister in die Pflege und Betreuung des behinderten Kindes einbezogen werden, soweit sie es wünschen und es ihrem Alter angemessen ist. Dies kann das Verantwortungsgefühl stärken und die Bindung fördern.
  • Externe Unterstützung: Scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Familien- und Geschwistertherapie können wertvolle Unterstützung bieten.

Schlussfolgerung

Das Leben mit einem behinderten Geschwisterkind ist herausfordernd und bereichernd zugleich. Es lehrt uns wichtige Lebenslektionen über Mitgefühl, Geduld und die Bedeutung von Familie. Durch offene Kommunikation, individuelle Zuwendung und die Inanspruchnahme externer Unterstützung können Familien gestärkt aus diesen Erfahrungen hervorgehen. 

Ich habe so viele wertvolle Lebenslektionen durch meinen Bruder lernen dürfen und durch einen achtsamen und aufmerksamen Umgang mit Menschen mit Behinderung, kann sich jede*r Einzelne von uns davon inspirieren lassen. 

  1. Resilienz und Durchhaltevermögen: Menschen mit Behinderung zeigen oft eine bemerkenswerte Fähigkeit, Widrigkeiten zu überwinden und trotz ihrer Herausforderungen weiterzumachen. Ihre Stärke und Entschlossenheit können uns inspirieren, in unserem eigenen Leben durchzuhalten, selbst wenn es schwierig wird.
  2. Wertschätzung kleiner Momente: Menschen mit Behinderung lehren uns, die kleinen Freuden des Lebens zu schätzen. Sie erinnern uns daran, dass Glück oft in den einfachen, alltäglichen Momenten zu finden ist und dass es wichtig ist, diese Augenblicke bewusst zu erleben und zu genießen.
  3. Kreativität und Anpassungsfähigkeit: Um ihre täglichen Herausforderungen zu meistern, entwickeln viele Menschen mit Behinderung kreative Lösungen und eine beeindruckende Anpassungsfähigkeit. Sie zeigen uns, dass es immer mehr als einen Weg gibt, ein Problem zu lösen, und dass Kreativität und Flexibilität Schlüsselkompetenzen im Leben sind.
  4. Wert der Inklusion und Akzeptanz: Durch den Umgang mit Menschen mit Behinderung lernen wir, wie wichtig Inklusion und Akzeptanz in unserer Gesellschaft sind. Wir erkennen, dass jeder Mensch unabhängig von seinen Fähigkeiten einen wertvollen Beitrag leisten kann und dass Vielfalt unser Leben bereichert.
  5. Unbedingte Liebe und Zuneigung: Viele Menschen mit Behinderung zeigen eine bedingungslose Liebe und Zuneigung, die uns daran erinnert, wie wichtig es ist, Liebe frei zu geben und zu empfangen. Ihre Fähigkeit, liebevolle Verbindungen aufzubauen, kann uns inspirieren, in unseren eigenen Beziehungen offener und herzlicher zu sein.
  6. Geduld und Ruhe: Der Umgang mit Menschen mit Behinderung erfordert oft Geduld und eine ruhige Herangehensweise. Diese Fähigkeiten sind in der hektischen modernen Welt von unschätzbarem Wert und können uns helfen, in stressigen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren.
  7. Echtheit und Authentizität: Menschen mit Behinderung leben oft sehr authentisch und unverstellt. Sie erinnern uns daran, wie wichtig es ist, ehrlich zu sich selbst und anderen zu sein, und ermutigen uns, unsere eigene Authentizität zu leben.


Diese wertvollen Lektionen bereichern nicht nur unser eigenes Leben, sondern tragen auch dazu bei, eine inklusive und unterstützende Gemeinschaft zu fördern. Indem wir die Perspektiven und Erfahrungen von Menschen mit Behinderung wertschätzen, können wir alle gemeinsam wachsen und lernen.

05.06.2024 I Therapie & Beratung I Julia Dresp

Häufige Mythen und Missverständnisse über Therapie und Beratung

Immer wieder begegnen mir im Alltag Mythen und Missverständnisse über Therapie und Beratung, die sich hartnäckig in den Köpfen der Menschen festgesetzt haben. 

"Therapie ist nur für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen" oder auch "Therapie ist nur für 'Verrückte'"

Realität: Therapie ist für jeden Menschen geeignet, der Hilfe benötigt, unabhängig von der Schwere der Probleme. Menschen suchen aus verschiedenen Gründen Therapie, wie z.B. bei Stressbewältigung, Beziehungsproblemen, beruflichen Herausforderungen oder persönlicher Weiterentwicklung.

  • Leichte bis mittelschwere Probleme: Menschen nutzen Therapie, um besser mit alltäglichen Herausforderungen umzugehen, wie z.B. Arbeitsstress, familiären Konflikten oder der Suche nach Lebenssinn.
  • Präventive Maßnahmen: Therapie kann auch präventiv eingesetzt werden, um die psychische Gesundheit zu fördern und zu erhalten.

"Therapie ist nur Gespräche und bringt keine echten Ergebnisse"

Realität: Therapie umfasst eine Vielzahl von Techniken und Methoden, die evidenzbasiert sind und nachweislich positive Ergebnisse liefern.

  • Praktische Übungen: Viele Therapeut*innen geben ihren Klient*innen praktische Übungen und Hausaufgaben, um neue Verhaltensweisen und Denkmuster zu erlernen.
  • Messbare Fortschritte: Therapeut*innen verwenden oft Bewertungsinstrumente, um den Fortschritt ihrer Klienten zu messen und anzupassen.

"Wenn ich Therapie brauche, bin ich schwach"

Realität: Therapie zu suchen erfordert Mut und ist ein Zeichen von Stärke und Selbstbewusstsein.

  • Selbstreflexion: Die Entscheidung, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, zeigt, dass man sich seiner Probleme bewusst ist und aktiv daran arbeiten möchte.
  • Stigmatisierung überwinden: Der Schritt zur Therapie kann helfen, das Stigma rund um psychische Gesundheit zu reduzieren und andere zu ermutigen, ebenfalls Hilfe zu suchen.

"Therapeuten sagen einem, was man tun soll"

Realität: Therapeuten bieten keinen direkten Rat oder konkrete Anweisungen. Stattdessen helfen sie, eigene Lösungen zu finden und unterstützen dabei, Gedanken und Gefühle zu verstehen.

  • Klienten-zentrierter Ansatz: Therapeuten arbeiten oft mit einem klientenzentrierten Ansatz, der darauf abzielt, den Klienten in den Mittelpunkt des therapeutischen Prozesses zu stellen.
  • Empowerment: Ziel der Therapie ist es, den Klienten zu befähigen, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen und eigenständig Probleme zu lösen.

"Therapie dauert ewig"

Realität: Die Dauer der Therapie variiert stark und hängt von den individuellen Bedürfnissen und Zielen des Klienten ab.

  • Kurzzeittherapie: Viele Probleme können in relativ kurzer Zeit (z.B. 6-12 Sitzungen) wirksam behandelt werden.
  • Langzeittherapie: Bei tieferliegenden oder komplexeren Problemen kann eine längere Therapie sinnvoll sein, aber dies wird immer individuell besprochen und angepasst.

"Man muss ein tiefes Trauma haben, um Therapie zu brauchen" 

Realität: Therapie kann bei einer Vielzahl von Problemen und Lebenssituationen hilfreich sein, nicht nur bei traumatischen Erlebnissen.

  • Alltagsprobleme: Menschen suchen oft Therapie für alltägliche Stressoren, wie berufliche Herausforderungen, familiäre Konflikte oder Beziehungsprobleme.
  • Persönliches Wachstum: Therapie kann auch genutzt werden, um persönliches Wachstum und Selbstverwirklichung zu fördern.

"Therapie ist nur für Menschen, die keine Freunde oder Familie haben, mit denen sie sprechen können"

Realität: Auch Menschen mit starken sozialen Netzwerken profitieren von der professionellen Unterstützung durch einen Therapeuten.

  • Unabhängigkeit und Neutralität: Therapeuten bieten eine neutrale und unparteiische Perspektive, die sich von der Unterstützung durch Freunde und Familie unterscheidet.
  • Fachliche Kompetenz: Therapeuten haben spezielle Ausbildungen und Kenntnisse, um effektive Methoden zur Problemlösung anzubieten.

"Eine Therapie zu machen, bringt negative berufliche Auswirkungen mit sich"

Realität: Für psychotherapeutische Leistungen, die über die Krankenkasse finanziert werden können, muss der Therapeut oder die Therapeutin eine Diagnose stellen. Ohne Diagnose, können die Therapiestunden nicht bei der Krankenkasse abgerechnet werden. In Privatpraxen (wie bei mir) wird in der Regel ohne Diagnosen gearbeitet, stattdessen müssen die Kosten allerdings selbst getragen werden. Wer keine Mittel zur Verfügung hat, kann auch zunächst eine Beratungsstelle aufsuchen, diese sind ebenfalls kostenfrei und gleichzeitig ohne Diagnoseverfahren. 

  • Öffentlicher Dienst und Beamte: In bestimmten Berufen, insbesondere im öffentlichen Dienst oder bei Beamten, könnte eine Psychotherapie bei einer Verbeamtung oder bei sicherheitsrelevanten Berufen berücksichtigt werden. Dies ist jedoch individuell und abhängig von der spezifischen Situation und den Anforderungen des jeweiligen Berufs.
  • Private Krankenversicherungen: Bei einem Wechsel in eine private Krankenversicherung kann die Angabe einer psychotherapeutischen Behandlung Auswirkungen auf die Prämien oder die Annahmebedingungen haben.
  • Berufsunfähigkeitsversicherungen: Tatsächlich schließt die Versicherung psychische Erkrankungen meist aus, wenn eine Therapie innerhalb der letzten 5 Jahren in Anspruch genommen wurde oder ist kaum bezahlbar. 


Insgesamt hat eine Therapie über die Krankenkasse in der Regel keine direkten negativen Auswirkungen auf das Berufs- oder Privatleben. Die Vorteile einer Therapie, wie verbesserte psychische Gesundheit und Lebensqualität, überwiegen meist die potenziellen Nachteile. Es ist jedoch wichtig, sich über die spezifischen Umstände und Anforderungen Ihres Berufs und Ihrer Versicherung im Klaren zu sein und gegebenenfalls professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen, um fundierte Entscheidungen zu treffen.

Fazit

Diese Mythen und Missverständnisse können dazu führen, dass Menschen zögern, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es ist wichtig, diese falschen Vorstellungen zu korrigieren, um den Zugang zu psychotherapeutischer Unterstützung zu erleichtern und das Stigma rund um psychische Gesundheit zu reduzieren. Therapie ist eine wertvolle Ressource für alle, die Unterstützung in schwierigen Lebenslagen oder bei der persönlichen Entwicklung suchen.