05.06.2024 I Therapie & Beratung I Julia Dresp
Häufige Mythen und Missverständnisse über Therapie und Beratung
Immer wieder begegnen mir im Alltag Mythen und Missverständnisse über Therapie und Beratung, die sich hartnäckig in den Köpfen der Menschen festgesetzt haben.
"Therapie ist nur für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen" oder auch "Therapie ist nur für 'Verrückte'"
Realität: Therapie ist für jeden Menschen geeignet, der Hilfe benötigt, unabhängig von der Schwere der Probleme. Menschen suchen aus verschiedenen Gründen Therapie, wie z.B. bei Stressbewältigung, Beziehungsproblemen, beruflichen Herausforderungen oder persönlicher Weiterentwicklung.
- Leichte bis mittelschwere Probleme: Menschen nutzen Therapie, um besser mit alltäglichen Herausforderungen umzugehen, wie z.B. Arbeitsstress, familiären Konflikten oder der Suche nach Lebenssinn.
- Präventive Maßnahmen: Therapie kann auch präventiv eingesetzt werden, um die psychische Gesundheit zu fördern und zu erhalten.
"Therapie ist nur Gespräche und bringt keine echten Ergebnisse"
Realität: Therapie umfasst eine Vielzahl von Techniken und Methoden, die evidenzbasiert sind und nachweislich positive Ergebnisse liefern.
- Praktische Übungen: Viele Therapeut*innen geben ihren Klient*innen praktische Übungen und Hausaufgaben, um neue Verhaltensweisen und Denkmuster zu erlernen.
- Messbare Fortschritte: Therapeut*innen verwenden oft Bewertungsinstrumente, um den Fortschritt ihrer Klienten zu messen und anzupassen.
"Wenn ich Therapie brauche, bin ich schwach"
Realität: Therapie zu suchen erfordert Mut und ist ein Zeichen von Stärke und Selbstbewusstsein.
- Selbstreflexion: Die Entscheidung, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, zeigt, dass man sich seiner Probleme bewusst ist und aktiv daran arbeiten möchte.
- Stigmatisierung überwinden: Der Schritt zur Therapie kann helfen, das Stigma rund um psychische Gesundheit zu reduzieren und andere zu ermutigen, ebenfalls Hilfe zu suchen.
"Therapeuten sagen einem, was man tun soll"
Realität: Therapeuten bieten keinen direkten Rat oder konkrete Anweisungen. Stattdessen helfen sie, eigene Lösungen zu finden und unterstützen dabei, Gedanken und Gefühle zu verstehen.
- Klienten-zentrierter Ansatz: Therapeuten arbeiten oft mit einem klientenzentrierten Ansatz, der darauf abzielt, den Klienten in den Mittelpunkt des therapeutischen Prozesses zu stellen.
- Empowerment: Ziel der Therapie ist es, den Klienten zu befähigen, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen und eigenständig Probleme zu lösen.
"Therapie dauert ewig"
Realität: Die Dauer der Therapie variiert stark und hängt von den individuellen Bedürfnissen und Zielen des Klienten ab.
- Kurzzeittherapie: Viele Probleme können in relativ kurzer Zeit (z.B. 6-12 Sitzungen) wirksam behandelt werden.
- Langzeittherapie: Bei tieferliegenden oder komplexeren Problemen kann eine längere Therapie sinnvoll sein, aber dies wird immer individuell besprochen und angepasst.
"Man muss ein tiefes Trauma haben, um Therapie zu brauchen"
Realität: Therapie kann bei einer Vielzahl von Problemen und Lebenssituationen hilfreich sein, nicht nur bei traumatischen Erlebnissen.
- Alltagsprobleme: Menschen suchen oft Therapie für alltägliche Stressoren, wie berufliche Herausforderungen, familiäre Konflikte oder Beziehungsprobleme.
- Persönliches Wachstum: Therapie kann auch genutzt werden, um persönliches Wachstum und Selbstverwirklichung zu fördern.
"Therapie ist nur für Menschen, die keine Freunde oder Familie haben, mit denen sie sprechen können"
Realität: Auch Menschen mit starken sozialen Netzwerken profitieren von der professionellen Unterstützung durch einen Therapeuten.
- Unabhängigkeit und Neutralität: Therapeuten bieten eine neutrale und unparteiische Perspektive, die sich von der Unterstützung durch Freunde und Familie unterscheidet.
- Fachliche Kompetenz: Therapeuten haben spezielle Ausbildungen und Kenntnisse, um effektive Methoden zur Problemlösung anzubieten.
"Eine Therapie zu machen, bringt negative berufliche Auswirkungen mit sich"
Realität: Für psychotherapeutische Leistungen, die über die Krankenkasse finanziert werden können, muss der Therapeut oder die Therapeutin eine Diagnose stellen. Ohne Diagnose, können die Therapiestunden nicht bei der Krankenkasse abgerechnet werden. In Privatpraxen (wie bei mir) wird in der Regel ohne Diagnosen gearbeitet, stattdessen müssen die Kosten allerdings selbst getragen werden. Wer keine Mittel zur Verfügung hat, kann auch zunächst eine Beratungsstelle aufsuchen, diese sind ebenfalls kostenfrei und gleichzeitig ohne Diagnoseverfahren.
- Öffentlicher Dienst und Beamte: In bestimmten Berufen, insbesondere im öffentlichen Dienst oder bei Beamten, könnte eine Psychotherapie bei einer Verbeamtung oder bei sicherheitsrelevanten Berufen berücksichtigt werden. Dies ist jedoch individuell und abhängig von der spezifischen Situation und den Anforderungen des jeweiligen Berufs.
- Private Krankenversicherungen: Bei einem Wechsel in eine private Krankenversicherung kann die Angabe einer psychotherapeutischen Behandlung Auswirkungen auf die Prämien oder die Annahmebedingungen haben.
- Berufsunfähigkeitsversicherungen: Tatsächlich schließt die Versicherung psychische Erkrankungen meist aus, wenn eine Therapie innerhalb der letzten 5 Jahren in Anspruch genommen wurde oder ist kaum bezahlbar.
Insgesamt hat eine Therapie über die Krankenkasse in der Regel keine direkten negativen Auswirkungen auf das Berufs- oder Privatleben. Die Vorteile einer Therapie, wie verbesserte psychische Gesundheit und Lebensqualität, überwiegen meist die potenziellen Nachteile. Es ist jedoch wichtig, sich über die spezifischen Umstände und Anforderungen Ihres Berufs und Ihrer Versicherung im Klaren zu sein und gegebenenfalls professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen, um fundierte Entscheidungen zu treffen.
Fazit
Diese Mythen und Missverständnisse können dazu führen, dass Menschen zögern, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es ist wichtig, diese falschen Vorstellungen zu korrigieren, um den Zugang zu psychotherapeutischer Unterstützung zu erleichtern und das Stigma rund um psychische Gesundheit zu reduzieren. Therapie ist eine wertvolle Ressource für alle, die Unterstützung in schwierigen Lebenslagen oder bei der persönlichen Entwicklung suchen.